Weißt du, was ein literarisches Debüt ist? Und was es bedeutet, wenn Schriftsteller*innen ihren ersten Roman erst mit 50, 60 oder 70plus veröffentlichen?
Hier mehr zu meinem ersten Roman „Morgen fangen wir an“.
Ein Debütroman hat eine besondere Bedeutung: Auf dem Buchmarkt und im Leben der Debütanten und Debütantinnen. Er ist eine Stimme, die noch niemand kennt. Man kann sie keinem früheren Werk zuordnen und sie lässt keine Rückschlüsse auf Entwicklung zu. Mit einem Schlag soll sie das Interesse der Literaturwelt und der Leser*innen wecken. Der erste Roman ist das erste größere Werk, mit dem Schriftsteller*innen an die Öffentlichkeit treten und damit ein wichtiger Meilenstein in ihrem kreativen Leben.
Es gibt viele berühmte Beispiele für erfolgreiche Debütromane: Thomas Manns "Buddenbrooks", Goethes "Die Leiden des jungen Werthers", "Der Fänger im Roggen" von Salinger, "Alles ist erleuchtet" von Jonathan Safran Foer und Harper Lees "How To Kill a Mocking Bird" - um nur einige zu nennen.
In welchem Alter veröffentlichen Autorinnen und Autoren ihren ersten Roman?
Literarische Erstlingswerke, die Verlage veröffentlichen, scheinen jedoch überwiegend von jungen Schriftsteller*innen zu sein. Späte Debütanten und Debütantinnen gibt es weniger als junge. Ein Grund ist die längere Lebensspanne, die vor jungen Autoren und Autorinnen liegt. Es ist leichter, über lange Zeit Entwicklung im kreativen Schaffen abzubilden. So lässt sich besser eine Autorenmarke aufbauen, die für den Verlag lukrativ ist. Denn ein Debüt ist kein einzelnes Werk, sondern soll der Beginn einer Reihe von Werken sein.
Ich habe meinen ersten Roman im reiferen Erwachsenenalter geschrieben
Meinen ersten Roman "Morgen fangen wir an" habe ich mit Ende 50 begonnen. Nicht, weil ich es vorher nicht gekonnt hätte, sondern weil es genau zu dieser Zeit ein logischer Schritt in meinem kreativen Schaffen ist.
Erst als ich einen Verlag für mein Buch suchte, stellte ich fest: Das Alter einer Debütantin scheint zumindest für große Verlage eine wichtige Rolle dabei zu spielen, ob er das Manuskript annimmt.
Gibt es späte Debütanten und Debütantinnen?
Ich habe nach späten erfolgreichen Debüts gesucht und sie gefunden: "Der Gesang der Flusskrebse" von Delia Owens. Sie hat diesen Debütroman mit 70 Jahren veröffentlicht. Hollywood hat sogar einen Kinofilm daraus gemacht. Ingrid Noll veröffentlichte mit 56 Jahren ihr erstes Buch. Heute, mit weit über 70 Jahren, ist sie eine der erfolgreichsten Krimi-Autorinnen. Louis Begley debütierte mit 58 Jahren mit seinem Roman "Lügen in Zeiten des Krieges". David Abbott mit "Die späte Ernte des Henry Cage" mit 73 Jahren. Helga Hammer war 77 Jahre alt, als ihr Erstlingswerk "Durch alle Zeiten" herauskam.
Aber was spricht dafür, dass ein später Debütroman ins Verlagsprogramm aufgenommen werden sollte?
Auch wenn aus rationalen und wirtschaftlichen Gründen nachvollziehbar ist, dass große Verlage lieber Erstlingswerke von jungen Schriftsteller*innen veröffentlichen, stehen späte literarische Debüts den frühen in nichts nach. Vor allem. nicht in der Qualität.
Späte Debütanten und Debütantinnen haben einiges an Lebenserfahrungen gesammelt. Sie haben innere Haltungen und Positionen zu verschiedenen Lebensthemen entwickelt und sind an den Herausforderungen des Lebens gereift. Sie zeigen sich nicht nur als unbekannte Stimmen, sondern mit ihrem gesamten bisherigen Lebenslauf. Das bildet sich in den Romanen ab und trägt zu deren Qualität bei.
Ein später Debütroman hat noch einen Vorteil: Die Schriftsteller*innen sind oft schon wirtschaftlich abgesicherter. Mit ihrem ersten Roman müssen sie nicht um jeden Preis Erfolg haben und verbiegen sich deshalb auch nicht.
Warum veröffentlichen Autorinnen und Autoren ihren ersten Roman erst im späteren Alter?
Die Gründe, warum Menschen erst spät ihre künstlerische Kreativität mit Schreiben ausdrücken, sind vielfältig. Einige haben schon vorher veröffentlicht: Delia Owens schrieb über ihre Erlebnisse in Afrika. Andere haben andere Berufe ausgeübt, bevor sie zum Schreiben gefunden haben: Helga Hammer oder Louis Begley, der Rechtsanwalt war. Oft war es einfach nur wenig Zeit, die sie vom Schreiben abhielt. Oder es fehlte das eigene Zimmer, wie es Ingrid Noll beschrieb.
Sie alle haben also den Durchbruch auf dem Buchmarkt mit ihrem Erstlingswerk geschafft. Und das, obwohl (oder weil?) sie spät debütierten. Im Laufe ihres Lebens haben sie sich entschlossen, genau jetzt diesen Roman zu schreiben. Sei es Erinnerungsliteratur, wie das Werk von Begley oder der Krimi von Ingrid Noll.
Was heißt das für alle, die eine erste Veröffentlichung jenseits der 40 anstreben?
Späte Debütanten und Debütantinnen haben gegenüber den jungen Schriftsteller*innen Vorteile: Sie können Erfahrungen als Wissen über alle Aspekte des Lebens in ihr Werk einbringen. Außerdem erreichen sie die eigene Generation besser.
Jedoch verzeichnen Verlage und Agenturen jedes Jahr eine immense Fülle an Manuskript-Einreichungen. Das ist für alle Schriftsteller*innen, die zum ersten Mal veröffentlichen, eine große Herausforderung. Außerdem muss das Buch zum Genre und zum aktuellen Buchmarkt passen. Kleine oder unabhängige Verlage verlegen häufig Literatur, die in Nischen zu Hause ist und nicht den Trends auf dem Markt entspricht. Aber auch hier gibt es eine wahre Flut von Einreichungen.
Es ist also für späte Autoren und Autorinnen nicht einfach, mit ihrem Debütroman aus dieser Masse herauszustechen und zu überzeugen. Was hilft, sind Beziehungen oder ein Bekanntheitsgrad im Leben vor der Schriftstellerei. Wie beispielsweise als Politikergattin, Serienstar oder Pop-Ikone. Dann klappt es besser mit dem Debüt. Nicht nur mit dem späten.
Jugend als Erfolgsversprechen?
Für alle anderen bleibt die Frage, ob das fortgeschrittene Alter einer Autorin oder eines Autors im Wettbewerb um die Zusammenarbeit einem Verlag eher hinderlich ist. Es scheint kaum Studien oder Statistiken darüber zu geben, aber Jugend ist in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft angesagt. Sie gilt auch im Verlagswesen als Erfolgsversprechen. Dass dies nicht immer stimmt, zeigen viele Beispiele aus der Literatur.
Unabhängigkeit in der Kunst
In der bildenden Kunst und auch beim Schreiben habe ich mich nie an den Normen orientiert, die ein Markt von mir verlangen könnte. Mit dessen Bedingungen wurde ich immer erst im Laufe meines Schaffens konfrontiert. Darüber bin ich froh, denn kein begrenzender Gedanke an den schwierigen Buch- oder Kunstmarkt, hat mich davon abgehalten, mit Ausdauer und Mut meine Projekte zu verfolgen. Das bedeutet für mich Unabhängigkeit, und die ist mir wichtig.
Mehr über mich und meine Bücher findest du hier.
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